Update: Steinmeier unterliegt Parteiräson, Michael Müller pro Rückkauf

Update:

klimaretter.info greift im Interview mit Michael Müller die Aussagen seines SPD Parteikollegen Steinmeier auf. Michael Müller war als SPD-Politiker bis 2009 Parlamentarischer Staatssekretär im Umweltministerium, ist heute Bundesvorsitzender der Naturfreunde Deutschlands.

Klimaretter: In Hamburg macht die SPD-Spitze mobil gegen die Rekommunalisierung der Netze. Wir dachten immer, Ihre Partei steht für die Stärkung des Gemeinbesitzes?

Müller: Ich halte es für einen strategischen Fehler, die Netze nicht für die öffentliche Gestaltung der Energiepolitik einzusetzen. Das ist aus meiner Sicht mit der Idee des Gemeinwohls nicht vereinbar. Gerade die Energiewende braucht einen starken öffentlichen Sektor. Dafür brauchen wir eine öffentlich-rechtliche Netzgesellschaft. Ich bin davon überzeugt, dass eine ökologische Politik ohne einen absoluten Vorrang des Allgemeinwohls vor dem privaten Reichtum nicht zu machen ist.

Klimaretter: „Der hundertprozentige Rückkauf, wie ihn manche fordern, ist teure Rechthaberei, die der Politik die Finanzmittel für nicht weniger wichtige Politikfelder nimmt“, sagt der Vorsitzende der SPD-Bundestagfraktion, Frank-Walter Steinmeier. Dabei soll für den Rückkauf gar kein Geld aus dem Landeshaushalt abgezogen werden: Geplant ist, ihn über die Hamburger Gesellschaft für Vermögensverwaltung zu finanzieren – so, wie die SPD schon 25,1 Prozent des Netzes gekauft hat. Was ist los mit Steinmeier?

Müller: Das verstehe ich auch nicht. Ich weiß nicht, wer Steinmeier da so schlecht berät. Es geht doch nicht um teure Rechthaberei, sondern um eine notwendige Einsicht, die die SPD – wenn auch mühsam – bei der Deutschen Bahn gelernt haben sollte: Bei der Infrastruktur müssen die Netze in öffentlicher Hand bleiben. Das gilt auch und gerade bei der Energiepolitik. Wie sonst soll eine Energiewende durchgesetzt werden? Die Netze haben eine herausgehobene Bedeutung sowohl für die Kosten als auch für das Umsteuern zu Dezentralität.

umweltfairaendern.de am 14. August 2013
Volksentscheid Energienetze Hamburg: Steinmeier (SPD) über Vattenfall und E.on – Internationale Konzerne nicht an Energiewende interessiert

 

Beitrag vom 7. August 2013:

Steinmeier unterliegt Parteiräson

„Frank-Walter Steinmeier dokumentiert das Elend der SPD: Im Interview mit dem Hamburger Abendblatt bestätigt er rundum alle Argumente, die für eine Rekommunalisierung der Energienetze und der Fernwärme auch in Hamburg sprechen, will aber ganz zum Schluss und aus schierer Parteiräson dann doch seinem Parteifreund nicht in den Rücken fallen. Auch daran wird deutlich, dass die Hamburger SPD recht isoliert agiert.“ (Theo Christiansen, Vertrauensperson UNSER HAMBURG – UNSER NETZ)

Hamburger Abendblatt: In einem Volksentscheid geht es am Tag der Bundestagswahl in Hamburg auch darum, ob die Stromnetze wieder vollständig in Hand der Stadt sein sollen. Ist das der richtige Schritt?
Steinmeier: Die SPD hat sich da klar positioniert: Das Geld wird für andere Projekte dringend gebraucht. Kitas, Wohnungen, Sicherheit – all das ist wichtig. Deshalb hat Olaf Scholz klug gehandelt und sich durch die Minderheitsbeteiligung entscheidenden Einfluss gesichert. Der Fehler wurde woanders gemacht: Ich habe bereits vor fünf Jahren kritisiert, dass die deutschen Energienetze zu unterschiedlichen Anteilen an ganz unterschiedliche Eigentümer verkauft wurden, auch an nicht europäische Finanzanleger. Die Energienetze sind das Nervensystem für die deutsche Wirtschaft. Ich hätte mir gewünscht, dass die Hochspannungsnetze in der Hand einer deutschen Netzgesellschaft unter Beteiligung des Bundes geblieben wären. Die Union hat diesen Vorschlag damals abgelehnt. Nun lässt sich dieser Fehler nicht mehr korrigieren – und der Netzausbau kommt nur schleppend voran.

Hamburger Abendblatt: Gilt das auch für die kommunalen Netze?
Steinmeier: Die Kommune kann Planungssicherheit und Versorgungssicherheit besser gewährleisten als internationale Konzerne, die nicht an der Energiewende interessiert sind. Daher ist beispielsweise ein teilweiser Rückkauf der Netze, wie die SPD das hier in Hamburg getan hat, für Kommunen durchaus sinnvoll und als kommunale Beteiligung zur Ausübung von Einfluss auch ausreichend. Der hundertprozentige Rückkauf, wie ihn manche fordern, ist teure Rechthaberei, die der Politik die Finanzmittel für nicht weniger wichtige Politikfelder nimmt.

Auszug aus Hamburger Abendblatt vom 6. August 2013
Steinmeier im Interview: „Vollständiger Rückkauf ist teure Rechthaberei“